In unserem Podcast-Interview begrüßen wir Stefanie Sumfleth, Vice President of Corporate Responsibility und Technical Product bei bonprix. Gemeinsam sprechen sie und Christian Underwood über die Bedeutung von Corporate Responsibility in der Modeindustrie. Dabei diskutieren die beiden die Herausforderungen und Chancen, die sich für Unternehmen ergeben, wenn sie eine nachhaltige Geschäftspraxis verfolgen. Insbesondere geht es um die Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Förderung von umweltfreundlicheren Produktionsprozessen und zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Lieferkette. Stefanie Sumfleth teilt dabei ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus ihrer Arbeit bei bonprix und gibt wertvolle Einblicke in die aktuellen Trends und Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit im eCommerce Modesektor.
Vom Schneiderhandwerk zur Nachhaltigkeits- und Digital-Expertin im Modesektor
Ihre Karriere begann Stefanie Sumfleth mit einer Schneiderlehre. Anschließend studierte sie Bekleidungs- und Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitete daraufhin unter anderem für Hugo Boss und BRAX Leineweber. Seit drei Jahren ist Sumfleth nun als Vice President bei bonprix für Corporate Responsibility & Technical Product verantwortlich.
bonprix erreicht heute in mehr als 25 Ländern und vertreibt fast ausschließlich eigene Modekollektionen. Als Teil der Otto Group profitiert das Unternehmen von der nachhaltigen Vision des Aufsichtsratsvorsitzenden Prof. Dr. Michael Otto. Schon seit den 1980er Jahren engagiert er sich für soziale und ökologische Standards in der Lieferkette seiner Unternehmen und möchte, dass Deutschland eine Vorbildfunktion in der ökologischen Transformation der Wirtschaft übernimmt.
Wie bonprix Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Erfolg verbindet
Ein besonders beeindruckendes Beispiel dafür ist die Initiative "Cotton Made in Africa", die von Michael Otto ins Leben gerufen wurde, um Kleinbauern in Subsahara-Afrika zu unterstützen, vom Baumwollanbau zu leben und gleichzeitig ökologische Aspekte zu berücksichtigen. Sumfleth hatte die Möglichkeit, diese Initiative in Uganda zu besuchen und die Menschen kennenzulernen, die davon profitieren. Dieses Engagement hat zu einer nachhaltigen Lieferkette geführt, in der T-Shirts aus afrikanischer Baumwolle hergestellt und den Kunden angeboten werden.
“Nachhaltigkeit ist in der DNA der Otto Gruppe ganz wichtig verankert. Aber wir tun das aus der Überzeugung heraus, dass Nachhaltigkeit für die Modeindustrie eben auch ein ganz wichtiger Zukunftsfaktor ist.”
Die etwa 80 Millionen verkauften Teile pro Jahr von bonprix bestehen zur Hälfte aus Baumwolle. Die Zusammenarbeit mit Initiativen wie "Cotton Made in Africa" zeigt, wie das Unternehmen sowohl gesellschaftliche Verantwortung übernimmt als auch wirtschaftlichen Erfolg erzielt.
Dabei unterstreicht Stefanie Sumfleth, dass Nachhaltigkeit bei bonprix nicht lediglich aus persönlicher Überzeugung verfolgt wird, sondern auch als zukunftsweisender Faktor in der Modebranche gilt. Die jährliche Studie der Otto Gruppe zum ethischen Konsum hat ergeben, dass das Kundenbewusstsein für die Auswirkungen ihres Verbrauchs auf Umwelt und Klima stetig wächst. Kunden sehen sich selbst als auch Unternehmen immer mehr in der Pflicht, klimaschützende Maßnahmen zu ergreifen.
Resilienz und Nachhaltigkeitsambitionen: Die Zukunftsvision von bonprix
Stefanie Sumfleth betont die Notwendigkeit, Nachhaltigkeit in die Ausrichtung von Modeunternehmen zu integrieren, und verweist auf zunehmende Regulierungen in diesem Bereich, wie etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Zukünftige Kunden, so ist sie überzeugt, werden von Unternehmen erwarten, dass sie sich umfassend um Nachhaltigkeit bemühen und ihnen ermöglichen, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Ihr Unternehmen stellt sich diesen Anforderungen mit einem breit gefächerten Angebot an nachhaltigerer Mode und einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie. Eins wird in dem Gespräch ganz klar: Nachhaltigkeit bildet einen zentralen Pfeiler der Unternehmensstrategie.
Rückblickend auf ihre Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit seit ihrem Einstieg bei bonprix 2011 erinnert sich Sumfleth an die damals bestehenden Audit-Programme für Fabriken und erste kleinere Nachhaltigkeitsziele. Im Laufe der Jahre hat bonprix sein Engagement für Nachhaltigkeit stetig verstärkt. 2017 wurde die erste umfassende Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen und ab 2021 wird eine noch ehrgeizigere Strategie verfolgt. Mittlerweile arbeitet das Unternehmen an 70 verschiedenen Nachhaltigkeitszielen und strebt an, bis 2030 ausschließlich nachhaltigere Produkte anzubieten, die Lieferkette vollständig transparent zu gestalten und klimaneutral zu agieren.
Vom Nichtvorhandensein nachhaltiger Produkte im Sortiment 2011 hat das Unternehmen nun 60% nachhaltige Fasern im Angebot und widmet sich intensiv der Kreislaufwirtschaft. Im April 2023 startete die Gruppe ihre erste Circular Collection, die für den Kreislauf konzipiert ist. Bezüglich des Klima-Fußabdrucks konzentriert sich das Unternehmen darauf, Aspekte zu beeinflussen, die es direkt kontrollieren kann, wie beispielsweise den Transportweg von Fabriken zu Lagern. Die Otto Group hat mittlerweile “Science-based Targets” angenommen und engagiert sich für die Reduzierung von Klimaauswirkungen in verschiedenen Bereichen, einschließlich der Wahl der Materialien und der Zusammenarbeit mit Lieferanten. Insgesamt hat sich der Geltungsbereich der Nachhaltigkeitsanstrengungen über die Jahre enorm erweitert.
Nachhaltigkeit als gemeinsame Aufgabe: Wie bonprix Nachhaltigkeitsziele in der gesamten Organisation verankert
Sumfleth hebt hervor, dass es eine immer stärkere Einbindung verschiedener Abteilungen und Mitarbeiter:innen gibt, die eigeninitiativ im Bereich Nachhaltigkeit tätig sind. Bei der Auswahl von Lieferanten werden Nachhaltigkeitskriterien neben Preis, Geschwindigkeit und Qualität berücksichtigt. Die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen sowie die Mitgliedschaft in Brancheninitiativen sind ebenfalls wichtige Aspekte, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen.
Für Sumfleth sollten alle 2.900 internationalen Mitarbeiter:innen des Unternehmens aktiv an Nachhaltigkeitsthemen mitwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Initiativen ins Leben gerufen und es gibt sogar eine spezielle Position zur Förderung des Mitarbeiterengagements im Bereich Nachhaltigkeit.
Herausforderungen in der Fashion Branche erfordern das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, ohne dabei die Qualität der Produkte zu vernachlässigen. Stefanie Sumfleth setzt zur Förderung von Resilienz in der Organisation auf die Digitalisierung der Produktentwicklung. Dabei wird der gesamte Prozess – von der Idee bis zur Produktionsfreigabe – gemeinsam mit dem Produktmanagement digitalisiert.
Nachhaltige Produktentwicklung durch 3D-Technologie
Anstelle der traditionellen Vorgehensweise, bei der Designvorgaben an Lieferanten weitergegeben und Muster erstellt werden, kommt innovative 3D-Technologie zum Einsatz. Mithilfe digitaler Schnittmuster, Avataren und der detailgetreuen Abbildung von Stoffen lassen sich Produkte von A bis Z digital im System entwickeln und visualisieren. Schon im Entwurfsstadium können so Passform und Erscheinungsbild der Kleidungsstücke beurteilt werden, sodass Lieferanten unmittelbar mit der Produktion beginnen können, sobald die digitalen Daten freigegeben sind.
“Wir wissen zu dem Zeitpunkt vielleicht auch schon besser, welche Produkte unsere Kunden von uns haben wollen, und sind dann treffsicherer. Und wir nehmen natürlich auch viel weniger Muster und sparen uns Transportwege. Insofern ist auch das ein schönes Beispiel für Nachhaltigkeit in unserem Kerngeschäft.”
Für die Branche bietet die Digitalisierung der Produktentwicklung zahlreiche Vorteile, wie etwa eine erhebliche Beschleunigung des Arbeits- und Entwicklungsprozesses. Mithilfe der 3D-Technologie ist es möglich, ein Produkt in nur einem Tag zu visualisieren – im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren, das auf Mustern basiert und mehrere Wochen gedauert hat. Das trägt zugleich zur nachhaltigen Transformation der Modeindustrie bei.
Mitarbeiter:innen im Fokus: Die Bedeutung von Unterstützung und Begleitung bei Veränderungen in der Modebranche
Auch weniger etablierte Märkte profitieren von der Digitalisierung. So können Lieferanten in Ländern mit noch nicht so entwickelter Modeindustrie, wie etwa Uganda, stärker unterstützt werden: Unternehmen erledigen den Großteil der Entwicklungsarbeit selbst und können direkt in die Produktion einsteigen. Die gesteigerte Geschwindigkeit erlaubt eine schnellere Markteinführung von Produkten sowie eine bessere Erfüllung von Kundenwünschen. Gleichzeitig reduzieren sich Musteranzahl und Transportwege, was zu einer nachhaltigeren Herangehensweise im Kerngeschäft führt.
Solche Neuerungen wirken sich nicht nur auf die Prozesse, sondern auch auf die Mitarbeiter:innen aus, die sich an neue Arbeitsmethoden anpassen müssen. Um die Motivation und Freude an der Arbeit zu erhalten, ist es entscheidend, dass Unternehmen diese Veränderungen schrittweise einführen und ihre Mitarbeiter:innen bestmöglich unterstützen.
Für den Erfolg eines Unternehmens ist eine feinfühlige Umsetzung solcher Veränderungen ausschlaggebend und erfordert Klarheit sowie Perspektive für die Mitarbeiter:innen. Ein konsequenter Ansatz, der sich von der Unternehmensstrategie bis zur Umsetzung in den einzelnen Abteilungen erstreckt, ist unerlässlich.
“Und am Ende des Tages, aus meiner Sicht, ist das der Erfolgsfaktor. Dass nämlich die Personen, die beteiligt sind, die neuen Dinge verstehen, annehmen und auch Freude für diese Veränderung empfinden.”
Um ein qualitativ hochwertiges Produkt beim Kunden zu platzieren, müssen die beteiligten Mitarbeiter:innen sowohl die großen Themen als auch die kleinsten Details verstehen. Zusammenarbeit, Leidenschaft für Veränderung und Energie sind entscheidende Faktoren, um solche Veränderungen erfolgreich zu bewältigen und die Branche zukunftsfähig zu gestalten.
Was würde Stefanie Sumfleth den Hörer:innen raten, die einen solchen Strategieprozess starten wollen?
Sie unterstreicht die Bedeutung, individuelle Realitäten zu berücksichtigen und den richtigen Zeitpunkt für die Implementierung einer ganzheitlichen Strategie abzupassen. Dabei empfiehlt Sumfleth, bestehende Aktivitäten und Arbeitsweisen sorgfältig zu prüfen, um zu entscheiden, welche beibehalten und welche hinterfragt werden sollten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt besteht in der Einbeziehung relevanter Stakeholder und deren Erwartungen. Überdies sollte man sich Gedanken über Arbeitsweisen und deren Zukunftsfähigkeit machen. Sumfleth ist überzeugt, dass der richtige Ansatz, gepaart mit Leidenschaft und Herz, zum Erfolg führt.
Interessierte Hörer:innen können Stefanie Sumfleth auch beim StrategySummit 23 am 17. Mai in Düsseldorf erleben, wo sie an einem Panel zum Thema Nachhaltigkeitsstrategie teilnimmt. Die Veranstaltung bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, mehr über das Verankern von Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie zu erfahren.