Die Diskussion um das Dosenpfand im Jahr 2003 führte dazu, dass die Getränkedose in Deutschland als umweltschädlich in Verruf geriet. Seitdem ist die Dose ein umstrittenes Thema. Heute – 20 Jahre später – gibt es eine wachsende Anzahl an Dosen in den Getränkeregalen von Supermärkten. Wieso ist das so?
Weshalb die Anzahl von Dosen in den Regalen von Supermärkten steigt
Convenience ist für die vermehrte Nachfrage nach Dosen ausschlaggebend. Ebenso ist Mobilität bei Getränken ein wichtiger Punkt. Laut Bundesumweltamt ist die Dose – zur Überraschung vieler – eine der umweltfreundlichsten Verpackungen. Dosen schließen zudem luftdicht und dunkel ab. Im Bierbereich ist die Dose bei kleinen Craftbeer-Brauern sehr beliebt, weil sie dadurch ihre eigenen Flaschen im Pfandsystem nicht wieder zurückholen müssen. Das senkt die Kosten, denn es ist ein enormer logistischer Aufwand, die vertriebenen Flaschen alle wieder zurückzubekommen.
Doch warum sind Dosen umweltfreundlich und weshalb kann das für Winzer interessant sein?
Wir alle kennen Wein in Glasflaschen. Mit dem Mythos, dass diese umweltfreundlicher seien, kann an dieser Stelle aufgeräumt werden: Ja, das stimmt, sofern es sich um Mehrwegflaschen handelt. Bei Wasser und anderen Getränken funktioniert das sehr gut.
Bei Wein leider nicht.
Weinflaschen sind Einwegglas, was ein Problem für die Umwelt darstellt.
Der Wein aus der Flasche wird mit Qualität verbunden: „Ein Wein mit Schraubverschluss?! Das geht ja gar nicht“. Ertappst du dich bei diesem Gedanken? Viele Konsumenten haben diese Ansicht. Auch der Korken wird mit Qualität assoziiert – der Wein muss in der Flasche sein.
Oft sind WinzerInnen Teil von Vereinigungen, die sich darüber abgestimmt haben, dass Wein nur in Flaschen abgefüllt werden darf. Das ist eine Art Selbstregulierung der Winzer, die gerade nach und nach etwas aufbricht.
Ein Beispiel für dieses Aufbrechen ist Holy Grape – die erste reine Dosenwein-Marke in Deutschland, die Christian 2017 aus persönlichem Antrieb auf den Markt gebracht hat. Er wollte den Menschen beweisen, dass
- auch Top-Weine in Dosen verkauft werden können
- Wein in Dosen unzählige Vorteile mit sich bringt
- Dosen die Zukunftsfähigkeit von Wein sichern (Stichwort Sustainability).
Eine neue Business-Idee wie Holy Grape auf den Markt bringen – wie geht das?
Christian hat zunächst die Märkte anderer Länder analysiert: In Amerika ist Dosenwein ein absolutes Hype-Thema. Vielleicht ist dir der Regisseur Francis Ford Coppola durch Filme wie Der Pate bekannt. Er besaß mehrere Weingüter, einige davon in Kalifornien, und hat eines Tages beschlossen, Wein in Dosen abzufüllen. Im Gegensatz zum deutschen Markt hatten die Amerikaner keine Vorurteile dem Dosenwein gegenüber.
Dosenwein – eine lange Innovationsgeschichte und viele Experimente
Einst gab es in Deutschland eine große Innovationskraft: Die Dose ist die Erfindung eines Deutschen und sie wurde vor dem Krieg nach Amerika gebracht. 1935 entstand daraufhin eines der ersten Dosenbiere namens Krueger’s.
Ab 1936 gab es die ersten Versuche von US-amerikanischen Winzern, Wein in Dosen abzufüllen. Das Problem dabei war, dass das Metall in Kontakt mit dem Wein reagierte, was zu einer großen Instabilität im Geschmack des Getränks führte. In den 50er Jahren bis in die 80er Jahre hinein versuchten große Produzenten, diese Hürden zu überwinden.
Airlines fingen an, Dosen für Wein zu benutzen und 1977 startete einer der größten Getränkehersteller der Welt ein Experiment: die Coca-Cola Company. Sie kaufte die New Yorker Taylor Wine Company auf und versuchte, den Markt des Dosenweins zu erobern. Das war das erste goldene Zeitalter des Dosenweins, wenn auch der große Durchbruch ausblieb.
Dennoch waren 1979 viele kalifornische Weine, insbesondere Roséweine, in 45 Staaten in Dosen verfügbar.
Es gibt also durchaus eine interessante Geschichte des Dosenweins. Der kalifornische Winzer Allan Green war zum Beispiel ein bekannter Sammler von Weindosen. 2015 hat er es in das Guinnessbuch der Rekorde geschafft mit der größten Weindosen-Sammlung von 449 Dosen.
Wie du siehst, ist Dosenwein kein neues Thema. Die Innovationsgeschichte hat lediglich sehr lange gedauert.
1981 hat Richard Arnold, Vice President für Food Services bei United Airlines, sechs Wochen lang versucht, den Dosenwein der Taylor Wine Company von Coca-Cola an die Passagiere zu bringen. Eine Befragung ergab im Nachhinein, dass 40 % der Weintrinker von United Airlines an Bord den Wein nicht mochten oder gar hassten.
Somit ist Coca-Cola aus dem Geschäft des Dosenweins ausgestiegen und das goldene Zeitalter des Dosenweines fand 1981 zunächst ein Ende.
Globales Patent für Dosenwein und First-Mover des Dosenwein-Marktes
Der Innovationsgeist in der Winzer-Industrie sollte damit jedoch nicht komplett ruhen: 1996 arbeiteten die australischen Weinproduzenten Barokes 5 Jahre an der Entwicklung von Vinsafe. Es war das erste globale Patent, das Dosenwein ganzheitlich betrachtete. Das Besondere daran war, dass die Dose eine innere Beschichtung als weiteres Element hatte, das, in Verbindung mit einer sehr speziellen Abfüllmethode, die destabilisierende Reaktion mit dem Metall verhinderte.
Der absolute Vorreiter bei Dosenwein war jedoch Asien: In Japan und anderen asiatischen Ländern gab es keine Vorurteile bei den Konsumenten. Ab 2004 entstand schließlich in den USA ein Markt für Dosenwein; 2014 erfuhr der Wein aus der Dose in vielen weiteren asiatischen Ländern breite Akzeptanz sowie auch in Australien, Neuseeland und Großbritannien. Seit ungefähr 12 Jahren ist Dosenwein das am schnellsten wachsende Segment im Bereich Wein in den USA.
Educating the customer – Konsumentenbewusstsein entwickeln
Wie geht man also vor, wenn sich für ein Produkt noch kein Konsumentenbewusstsein eingestellt hat?
Christians Marke Holy Grape war First-Mover mit einer reinen Dosenweinmarke in Deutschland. Der Second-Mover zog sehr schnell nach: WINE+ aus Bochum. Dieser hatte zuvor gezielt den amerikanischen Markt mit deutschem Dosenwein beliefert. Dabei hat WINE+ bewusst die Zielgruppe der Weintrinker angesprochen und viel in Public Relations investiert.
Holy Grape hatte Ersteres bewusst vermieden, denn die Zielgruppe bestand aus weiblichen Nicht-Weintrinkerinnen – also ein völlig neues Kundensegment: Menschen, die Wein bequem und unterwegs trinken wollen und keine WeinkennerInnen sind.
Die Marke Holy Grape hat Christian an der Hochschule Düsseldorf zusammen mit Studenten entwickelt und in Deutschland als eingetragene Marke schützen lassen. Der Wein ist sehr süß, fruchtig und etwas spritzig. Die Erwartung beim Öffnen einer Dose ist schließlich das erfrischende Zischen, das den KonsumentInnen mitgegeben werden soll.
Bis zur Marke Holy Grape war es jedoch ein langer Weg: Es dauerte zwei Jahre, um einen Winzer zu finden, der dazu bereit war, seinen Wein in Dosen abfüllen zu lassen. Christians Learning daraus ist:
Wenn du dich in einen Markt begibst, in dem du keinerlei Erfahrung hast, dann ist es sehr hilfreich, jemanden mit an Bord zu haben, der sich damit auskennt. Um ein Konsumentenbewusstsein zu schaffen, ist sehr viel Marketingaufwand notwendig. Es war nicht einfach, das Produkt Holy Grape auf dem deutschen Markt zu platzieren.
Musikfestivals als Eintritt in den Markt für Dosenweine
Holy Grape gelang der Markteintritt durch Musikfestivals. Sehr schnell musste Christian jedoch feststellen, dass Musikfestivals wahnsinnig viel Geld verdienen müssen und billigen Wein teilweise für 9 Euro pro 0,1 Liter verkaufen. Damit war Holy Grape nicht marktfähig. Die Festivals konnten den Wein zu einem günstigeren Preis als dem von Holy Grape einkaufen.
Mit der Corona-Krise fiel der Vertriebsweg der Festivals schließlich gänzlich weg. Als Alternativen gab es zu jener Zeit Autokinos oder Strandkorb-Events, wo drei deutsche Dosenweine von großen, sehr alten Weingütern angeboten wurden, weil der Ausschank aufgrund der damaligen Hygieneregelungen nicht anders möglich war. Christian sah zu diesem Zeitpunkt wieder einen Hoffnungsfunken für Dosenwein, der mit der Wiedereröffnung von klassischen Festivals jedoch schnell wieder erlosch.
Kostenseitig war Holy Grape nicht wettbewerbsfähig, da dem Unternehmen weder der Wein, noch die Abfüllung, noch der Vertriebsweg gehört. Bis heute ist es ein Kampf, der etwas aussichtslos erscheint. Christian ist noch auf der Suche nach der perfekten Nische, in der es möglich ist, gut und schnell zu wachsen.
Rosige Aussichten für den Dosenwein-Markt
Ein Blick auf die globalen Daten von Dosenwein spendet dennoch Hoffnung und vermittelt rosige Aussichten. Bis 2028 wird ein Wachstum von 7,2 % erwartet. Davon kann der restliche Weinmarkt nur träumen, da er weitgehend gesättigt ist – besonders in Deutschland. Der globale Markt für Dosenwein hat eine Größe von 16 Milliarden US-Dollar.
Auf dem deutschen Markt erscheinen derzeit erste Player wie Vinorhino als reine Dosenwein-Marke. Vinorhino fokussiert sich auf den Vertrieb in Kiosken, besonders in Hamburg, und wird von einem großen, deutschen Weinhändler und -produzenten als eigenes Segment unter einer separaten Marke geführt. Wir sehen also: Es gibt weiterhin Experimente, aber der Markt für Dosenwein ist in Deutschland noch nicht weit genug entwickelt.
Was ist die Strategie, um mit Holy Grape Anteile am Dosenwein-Markt zu erschließen?
Es braucht Ressourcen, richtige Partner und Fokus, um Dosenwein weiter voranzutreiben. Holy Grape ist offen für innovative, kreative und kompetente Kooperationspartner. Falls du an einer Zusammenarbeit interessiert bist und denkst, dass du die richtige Person dafür bist, melde dich gern bei uns.
Es existieren bereits eine etablierte Marke und ein Shop. Lediglich ein besserer Marktzugang und ein im Preis wettbewerbsfähigerer Wein sind nötig, um Holy Grape tatsächlich marktfähig zu machen.
Ein strategischer Blick auf die Nutzenkurve von Dosenwein zeigt, wie man in der Variation der verschiedenen Nutzen-Elemente für die Kunden aus bestehenden Produkten neue Innovationen entwickeln kann: durch das Eliminieren von Dingen, die für die Zielgruppe nicht wichtig sind. Bei Dosenwein ist das z. B. die Herkunft oder die Rebsorte. Auf der Dose steht bewusst lediglich „Weißwein“, um in einer anderen Zielgruppenkategorie als bei den WeinkennerInnen zu landen.
Langer Atem erforderlich bei der Gründung einer Marke in Deutschland
In Deutschland gibt es sehr viele Regulierungen. Diese sind berechtigt, aber sie können auch eine Bremse sein. Der Gründungsprozess ist in Deutschland äußerst langwierig. Im Fall von Holy Grape dauerte es nach dem Notarbesuch wegen eines minimalen Fehlers in den Unterlagen noch sechs Monate, bis die Eintragung der Marke abgeschlossen war und die Produkte verkauft werden konnten. Dadurch wurde die Karnevalszeit und somit eine große Absatzchance verpasst, obwohl der Wein bereits abgefüllt war.
Weitere Regularien in Deutschland führten dazu, dass ein Fehler passierte, von dem Christian und seine Partner erst erfahren haben, als es schon zu spät war.
Christian arbeitete mit einem adäquaten Winzer und einem der Top-Sommeliers Deutschlands zusammen. Es sollte ein Roséwein entstehen. Dafür wurde weißer und roter Traubenwein vermischt, was nicht die übliche Vorgehensweise für die Herstellung von Roséwein ist. Nach einer Weinkontrolle wurde festgestellt, dass gemäß dem deutschen Weingesetz ein solches Produkt nicht mehr als Wein verkauft werden durfte.
So mussten 2000 Liter der Rosé-Kreation mit einer einfallsreichen Lösung verkauft werden. Es ging schließlich als Prosecco durch, aber in einem viel niedrigeren Preissegment.
Ein weiteres Regulierungsthema bei Dosenwein ist der Abfall. In den Dosen von Holy Grape wird Aluminium verwendet. Jährlich muss deshalb angemeldet werden, was voraussichtlich an Müll (die Dosen selbst sowie der Verpackungsmüll bei Versand) produziert wird. Diese Kosten müssen mit einkalkuliert werden, zumal sie jährlich anfallen – selbst, wenn nur einmalig produziert wurde.
Fazit
Mache keine halben Sachen, wenn du dein Business starten willst, und investiere genug Ressourcen in dein Marketing. Planung und Strategie sind ebenso wichtig wie das Testen an der Zielgruppe. Bei Holy Grape hat sich mit der Zeit gezeigt, dass die Zielgruppe für den Wein aus der Dose weiblich ist und eher um die 30 statt 20 Jahre alt, denn 4–5 € pro Dose kommen für 20-Jährige weniger infrage.
Wenn du eine ungewöhnliche Business-Idee hast, dann solltest du vor allem drei Dinge haben: missionarischen Mut, ein Top Team um dich herum sowie genug Geduld und Ausdauer, um gegebenenfalls das richtige Timing abzuwarten.